26.04.2020 13:49

Michele Morrone/Shutterstock.com

„Alba wird die Krise überstehen“

Berlins Basketballer in der Corona-Pandemie: Lockdown, Bewegungsmangel und Berlins Sportvereine: Im Interview spricht Sportsoziologe Silvester Stahl über Albas Arbeit in der Coronakrise.


"Alba Berlin bekommt während den Ausgangsbeschränkungen viel Lob wegen der über Internetvideos angebotenen „Täglichen Sportstunde“ für Kinder. Ist das in Pandemiezeiten ein Vorbild für andere Sportvereine?
Offensichtlich. Andere Vereine machen inzwischen Ähnliches. Die Eisenbären und der FC Union haben sich an Albas Internetprogramm beteiligt. Auch der Landessportbund bietet nun - für alle Altersklassen - Übungsvideos an. Mich hat nicht überrascht, dass Alba als erster Sportverein ein solches Angebot macht.

Warum war gerade Alba so schnell?
Einerseits ist das ein professionell geführtes mittelständisches Unternehmen mit leistungsfähiger Social-Media-Abteilung. Andererseits hat sich Alba mit Bildungs- und Stadtteilprojekten längst als wichtiger Sozialakteur etabliert. Dieser Doppelcharakter hat die Sache ermöglicht. Aber mit der inzwischen erzielten Reichweite hat sicher niemand gerechnet. Die Klickzahlen bei Youtube liegen im siebenstelligen Bereich.

Normalerweise steht bei Alba der Profisport im Vordergrund. Müssen sich die Fans in der pandemiebedingten Wirtschaftskrise Sorgen um die Bundesligamannschaft machen?
Alba wird die Krise überstehen, da bin ich mir sicher. Der Verein steht im Ruf, solide zu wirtschaften und schuldenfrei zu sein. Er hat zudem starke Partner - nicht zuletzt den Namensgeber Alba Group, dazu Lotto Berlin, Adidas. Und eine treue Fangemeinde. Die wichtigsten Fanclubs haben dazu aufgerufen, Dauerkarten nicht rückerstatten zu lassen. So bleibt Alba das Geld.

Und die Konkurrenzfähigkeit - wird Alba ein Spitzenverein bleiben?
National braucht man sich wohl keine Sorgen zu machen. Alba gehört seit 30 Jahren zur Bundesligaspitze. Ich sehe keinen Grund, warum sich das ändern sollte. Die Wirtschaftskrise wird alle deutschen Vereine treffen.
Vielleicht wird sich Albas Position sogar verbessern. Brose Bamberg etwa, der langjährige Konkurrent an der Ligaspitze, ist stark von seinem Namenssponsor abhängig, einem Zulieferer der Autoindustrie. Sollte die Fahrzeugproduktion nicht zügig wieder in Gang kommen, könnte sich das bemerkbar machen. Auf europäischer Ebene sieht es anders aus.

In der Euroleague gehört Alba zu den Vereinen mit dem wenigsten Geld …
… obwohl man bei Management und gesellschaftlicher Verankerung als vorbildlich gilt. Alba hat als einer von wenigen Klubs in der Liga ein tragfähiges Geschäftsmodell als eigenständiges Basketballprogramm. Dazu gehört ein in normalen Zeiten gesunder Einnahmenmix. Alba hat nicht nur eine Geldquelle, sondern verschiedene Sponsoren, Spieltagerlöse und Fanartikelverkauf. Das Paradoxe: Gerade deshalb kann es passieren, dass Alba im Ligavergleich an Finanzkraft verliert.

Warum?
Die meisten anderen Euroleague-Teams sind nicht so direkt von der Wirtschaftslage abhängig. Bei Real Madrid und FC Barcelona werden die Basketballabteilungen vom Hauptverein, der das Geld im Fußball erwirtschaftet, finanziert. Andere Teams werden von Mäzenen alimentiert, die das mit ihrem Privatvermögen finanzieren – quasi Geldverbrennung, die in der Krise weitergehen könnte.

Bei Klubs aus Russland und der Türkei spielen politische Aspekte eine Rolle. Dort erwartet die Staatsführung von staatsnahen Unternehmen die Förderung des Sports. All diese Teams unterliegen nicht den Marktgesetzen, Alba schon.

Derzeit ruht der Spielbetrieb. Die Euroleague soll im Juli weitergehen. Und die Bundesliga?
Am Montag beraten sich die Liga-Verantwortlichen, vielleicht geht es ebenfalls im Sommer wieder los. Die Liga erwägt, die restlichen Partien an wenigen ausgewählten Spielorten stattfinden zu lassen. Das könnte bedeuten, dass Alba auf neutralem Boden gegen den zu erwartenden Endspielgegner München spielen wird - das wäre aus Fansicht besser als ein Auswärtsspiel in München.

Wird Alba deutscher Meister, gibt das auch dem Jugendprogramm einen Schub. Da sprechen wir von tausenden Kindern und Jugendlichen, die Alba zum Sporttreiben bringt."

Quelle: Tagesspiegel, Hannes Heine, abgerufen am 26.04.2020, 13:00 Uhr, m.tagesspiegel.de/berlin/berlins-basketballer-in-der-corona-pandemie-alba-wird-die-krise-ueberstehen/25773470.html)