21.02.2021 22:07

INSPO untersucht Sportstätten in Delmenhorst

Ein Sportstättenentwicklungsplan soll die Zukunft des Delmenhorster Sports maßgeblich beeinflussen. Das Postdamer Institut, das ihn gemeinsam mit Vertretern aus Verwaltung und Sport erstellt, erklärt, auf was es ihm ankommt.


Prof. Dr. Michael Barsuhn lacht. "Nein, ich denke nicht", antwortet er dann auf die Frage, ob er nicht dem einen oder anderem Delmenhorster mit dem Ergebnis seiner Arbeit die Stimmung gründlich vermiesen wird. "Das wird in kooperativer Form entstehen. Wir wollen auf dem Weg dorthin die unterschiedlichsten Akteure mitnehmen. Dazu werden wir unter anderem Workshops anbieten und eine interdisziplinäre Lenkungsgruppe ins Leben rufen", ergänzt der stellvertretende Vorsitzende des Instituts für kommunale Sportentwicklungsplanung (INSPO). Das ist an die Fachhochschule für Sport und Management der Europäischen Sportakademie Land Brandenburg in Potsdam angegliedert (ein sogenanntes An-Institut), die den 43-Jährigen 2016 auf die Professur für Sportmanagement und Sportentwicklung berufen hat. Das INSPO hat von der Stadtverwaltung den Auftrag erhalten, einen Sportstättenentwicklungsplan aufzustellen. Dass er und sein Team damit ein Thema aufgreifen, das auch emotional diskutiert wird, weiß Barsuhn. "Na klar, es wird Rückmeldungen geben", sagt er. Es habe sich deshalb auch als positiv erwiesen, wenn eine neutrale Institution einen solchen Plan erstellt. Dazu dienen empirische Untersuchungen, aber auch Gespräche mit möglichst vielen Beteiligten wie Sportlerinnen und Sportlern, Vereins- und Verbandsvertretern und den betroffenen Fachbereichen und Fachdiensten der Stadtverwaltung.

Projekt soll zum Jahresende abgeschlossen sein

Der erste Schritt in Richtung der Auftragsvergabe war bereits im Oktober 2019 gemacht worden, als der Stadtrat zustimmte, Mittel für diesen Plan im Haushalt 2020 bereitzustellen. Im vergangenen Juli schlossen die Stadtverwaltung und der Stadtsportbund einen Kooperationsvertrag, der die Möglichkeit brachte, einen Zuschuss vom Landessportbund zu beantragen und die Ausschreibung zu veröffentlichen, auf die sich auch das INSPO bewarb. "Drei Firmen haben ihr Interesse an dem Vergabeverfahren bekundet und Angebote abgegeben", berichtet Timo Frers, Leiter Medien und Kommunikation der Stadtverwaltung. Ein Sportstättenentwicklungsplan sei aus Sicht der Verwaltung notwendig, um die sportliche Landschaft der Stadt "ganzheitlich, langfristig und unter Einbeziehung der Wünsche und Bedarfe der verschiedenen Nutzergruppen" aufzustellen, erklärt Frers. Die Auswahl des INSPO sei durch ein Gremium aus verschiedenen Personengruppen (unter anderem Ratsvertreter, Stadtsportbund) erfolgt. Das Zeitfenster, in dem das Projekt abgeschlossen werden soll, reiche bis zum Jahresende. Coronabedingte Verzögerungen könnten natürlich nicht ausgeschlossen werden. In Delmenhorst gibt es unter anderem ein Stadion, 36 Sportplätze und 14 Turn-, neun Sport- und sechs Gymnastikhallen, berichtet die Stadt auf ihrer Internetseite.

INSPO arbeitet deutschlandweit

Das INSPO wird zum ersten Mal in Niedersachsen einen Sportstättenentwicklungsplan aufstellen. "Es ist für uns wichtig, uns räumlich noch breiter aufzustellen", erklärt Barsuhn. Schwerpunkt der Aktivitäten war und ist Berlin-Brandenburg, das Institut arbeitet aber auch deutschlandweit unter anderem in Nordrhein-Westfalen, Bayern und Schleswig-Holstein.

Umfassender Blick auf das Bewegungsverhalten

Ein erstes Auftaktgespräch mit der Stadtverwaltung hat bereits stattgefunden. Ziel ist es, einen Plan für die kommenden zehn Jahre aufzustellen, mit dem die Stadt ihre Sportentwicklung zukunftsorientiert voranbringen kann. Das sei eine wichtige kommunale Aufgabe, findet Barsuhn. "Der Sport entfaltet eine große Wirkungskraft. Er dient der Gesunderhaltung - und er hat eine sozialintegrative Wirkung", erklärt er: "Das mindert übrigens überhaupt nicht den Wert des Wettkampfsports, auch der hat eine wichtige Bedeutung, zum Beispiel als Imageträger." Es gelte daher, einen "sehr umfassenden Blick auf das Sport- und Bewegungsverhalten in Delmenhorst zu werfen". Wissenschaftliche Studien würden zeigen, dass der individuell gestaltete Sport inzwischen die größte Organisationsform geworden ist. "Joggen und Radfahren sind am weitesten verbreitet", sagt Barsuhn. Sportvereine seien die zweitgrößte, kommerzielle Sport- und Bewegungsanbieter die drittgrößte Kraft.

Das müsse in der Planung natürlich berücksichtigt werden, dürfe allerdings nicht als schlechte Nachricht für Vereine gewertet werden, sagt Barsuhn. Es sei bewiesen, dass diese eine "ganz, ganz zentrale Rolle" spielen, wenn es darum geht, den Zusammenhalt in der Gesellschaft nachhaltig zu stärken. Aber nicht nur deshalb seien Sportvereine weiterhin unverzichtbar, erklärt Barsuhn: "Wir orientieren uns bei der Frage zur Gesundheit an einer Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation, die lautet, dass 18- bis 64-Jährige mindestens 150 Minuten pro Woche in moderater bis hoher Intensität aktiv sein sollen. Die Studien des INSPO zeigen, dass Vereinsmitglieder das viel eher erreichen als Menschen, die keinem Club angehören.“

In Delmenhorst waren vor Beginn der Corona-Pandemie nur noch rund 20 Prozent der Einwohner Mitglied in einem Sportverein. Das sei schon ein Problem, stellt Barsuhn fest, für das mit dem Plan auch eine Lösung gefunden werden soll.

Delmenhorster Bürgerinnen und Bürger werden befragt

Über allem steht aber der Wunsch, dass Sportstättenentwicklungsplanung maßgeblich dazu beiträgt, die "Stadt in gesunde Bewegung zu bringen", erklärt Barsuhn. Dazu werde allerdings nicht nur eine bestimmte Infrastruktur, also die verschiedenen Räume zum Sporttreiben, sondern auch eine passende Angebots- und Organisationsstruktur benötigt. Deshalb wird das INSPO als erstes eine Bedarfsanalyse vornehmen, in die alle Betroffenen – wie die Bevölkerung, die Vereine, die Schulen oder die Kindertagesstätten – einbezogen werden. "Damit erhalten wir eine delmenhorstspezifische Datengrundlage", sagt Barsuhn. Die "Arbeit" beginnt mit einer repräsentativen Bürgerbefragung. Es geht darum, herauszufinden welchen Sport die Delmenhorsterinnen und Delmenhorster treiben. "Dies reicht von bewegungsaktiver Erholung bis hin zum Wettkampfsport", merkt Barsuhn an. Natürlich werden auch Orte abgefragt. Auch auf diese Frage rechnet Barsuhn mit vielen verschiedenen Antworten. "Das werden nicht nur die klassischen Hallen oder Anlagen sein. Für eine Runde Nordic-Walking brauche ich keinen Fußballplatz. Vielleicht stellen wir fest, dass es sinnvoll sein könnte, an stadtnahen Laufstrecken auch Fitnessgeräte aufzustellen", verrät Barsuhn, wie sich Erkenntnisse dann konkret auswirken.

Bestandsaufnahme der Infrastruktur

Parallel zur Bedarfsanalyse erfolge eine Bestandsaufnahme der Infrastruktur. "Wir werden schauen, welche Sportanlagen es in Delmenhorst gibt. Dafür haben wir ein bewährtes Team, das vor Ort sein wird", berichtet Barsuhn. "So wird ein Sportstättenkataster erstellt, in dem alle Sporthallen und Sportplätze mit ihren Sanierungsbedarfen aufgenommen werden."

Plan enthält Handlungsempfehlungen

Aus den Ergebnissen der Bedarfsanalyse und der Bestandsaufnahme werde in Kooperation mit dem Stadtsportbund und der Verwaltung in einer eigens gebildeten Lenkungsgruppe der Sportstättenentwicklungsplan erarbeitet. In diesem werden viele Handlungsempfehlungen – Entscheidungen trifft die Politik – zu finden sein, die sich sogar für verschiedene Träger positiv auswirken können. Das ließe sich gut an Schulen zeigen. Es sei eine kommunale Pflichtaufgabe, deren Bedarf zu erfüllen, sagt Barsuhn und fügt hinzu: "Wer diese gut ausstattet, tut gleichzeitig etwas für die Vereine. Sie nutzen die Hallen nachmittags und abends." Gegenwärtig werden gemeinsam mit der Stadtverwaltung die Befragungen der Delmenhorster Bürger, Sportvereine, Schulen und Kindertagesstätten vorbereitet. Der Startschuss soll noch im Frühjahr fallen.

Quelle: http://www.noz.de/artikel/2235787 / Veröffentlicht am: 19.02.2021 um 19:08 Uhr von Lars Pingel